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Von billig geblendet – oder warum sich Mühe manchmal nicht lohnt
Wieder einmal hat es mich erwischt! Ganz von der Seite und hinten ums Eck. 25 bis 30 Stunden umsonst gearbeitet – trotzdem wurde ein sicher geglaubter Auftrag zurückgezogen! Die Geschichte aus dem Alltag eines Malermeisters, der für sein Handwerk brennt und mitansehen muss, wie wenig fachlich fundiertes Handwerk geschätzt wird.
Um was geht´s?
Im Frühjahr 2021 machte ich ein Angebot für eine junge Frau die ein Haus geerbt hat. Dieses wolle Sie mit viel Engagement auf den neuesten technischen, thermischen und optischen Stand bringen. Sie selbst hatte schon Hand angelegt und wirklich die schlimmsten Arbeiten vorbereitet. Ich hatte großen Respekt von dieser Leistung. Wie gewünscht habe ich ein Angebot für Malerarbeiten in den Innenräumen und eines für ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) an der Fassade erstellt.
Die Kundin ist sehr aufgeschlossen und will alles genau wissen
Welche Farbe wir verwenden? Warum wir uns für welchen Voranstrich, welche Dämmung und welchen Putz entscheiden? Von allem will sie nur die beste Qualität. Im Gespräch ergibt es sich, dass Sie für Ihr Vorhaben auch noch einen Verputzer sucht, der ihr Haus innen verputzt. Ich biete ihr an, einen Verputzer aus meinem Netzwerk zu vermitteln und erstelle ein weiteres Angebot für die Verputzarbeiten.
Bei all dem mache ich die Kundin darauf aufmerksam, dass die Preise für Dämmstoff gerade explodieren und ich für die gewünschte Ausführung der Arbeiten erst ein Jahr später, nämlich im Frühjahr 2022, nur ein freibleibendes Angebot erstellen kann. Ein solches Angebot bedeutet, dass für den Fall, dass die Preise für Dämmstoff weiter steigen, gemäß Marktpreis nachkalkuliert wird. Und ich ihr so den endgültigen Preis erst bei Beginn der Ausführungsarbeiten im Frühjahr 2022 nennen kann. Die Dämmung hat so großes Volumen, dass ich sie erst kurz vor Ausführung bestellen kann. Dann gilt der Preis des Bestelltages.
Ständige Planänderung – ständig neue Wünsche
Bei unseren ersten Absprachen sichere ich ihr zu, dass der Rauputz vor der Dämmung glatt geputzt wird, wir das Qiu Dämmsystem von Brillux verwenden und die Flächen mit Siliconharz-Putz verputzen werden. Im Winter2021/2022 plötzlich die Planänderung: Es wird festgelegt, dass mit Mineralwolle gedämmt wird. Wieder ein neues Angebot, wieder Beratung und wieder Schreibarbeit.
Nach langem hin und her erhalte ich im Frühjahr 2022 den Auftrag! 1 Jahr nach unserer ersten Begegnung. Der neue Ausführungstermin: Sommer 2022. Ihre Wünsche: immer mehr und immer neu. Plötzlich will sie Fensterumrandungen, die Fassade soll farbig werden, obwohl vorher weiß vereinbart war, und, und, und. Ich schreibe 4 Nachtragsangebote. Jedes mit anderen oder ganz neuen Wünschen. Ganz nebenbei erkläre ich mit Engelsgeduld auch weiterhin alle Materialien und Verarbeitungsweisen bis ins Detail.
Erste Unstimmigkeiten – der Anfang vom Ende
Mittlerweile hat mein Verputzer die Innenwände verputzt und es kommen Unstimmigkeiten auf. Der Grund: Der Putzer hat den rohen Betonboden und die darauf verlegten Rohrleitungen nicht abgedeckt und bei seinen Arbeiten verschmutzt. Obwohl dieses Vorgehen völlig normal ist, versuche ich zu vermitteln. Der Verputzer kommt und reinigt nach. Für die Kundin ist es immer noch nicht sauber genug. Also schicke ich 2 meiner Leute, damit alles schnell schön sauber ist auf der Fläche, die nie ein Mensch sieht, da sie anschließend mit Dämmstoff ausgelegt und mit einem Zementestrich versiegelt wird.
Aller Einsatz hilft nichts – die Reklamationen werden täglich mehr
Hier ein kleiner Fleck, dort ein kleiner Spritzer auf Rohrleitungen die später verkleidet werden. Das Drama nimmt kein Ende. Mittlerweile ist es Sommer und abzusehen, dass die Dämmung erst im Spätherbst gemacht werden kann. Dazu gesellen sich noch weitere Preissteigerungen auf dem Markt. Ich mache von meiner Klausel Gebrauch und korrigiere 16 Monate nach dem ersten Angebot den Preis für das WDVS um 6 % nach oben. Die Dämmplatten werden von Woche zu Woche teurer. Auch die Preise für Putz und andere Materialien steigen erheblich.
Daraufhin schaltet sich erstmals der Lebensgefährte meiner Kundin ein: Alles zu teuer und wir nicht zuverlässig. Dabei hatte mein Team bis auf die Säuberungsarbeiten am Rohbeton noch keinen Handstrich an diesem Haus gearbeitet. Nur der Putzer, den ich gegen einen geringen Aufschlag vermittelt habe, war bisher tätig geworden. An seiner Leistung gab es fachlich nichts auszusetzen. Alle sichtbaren Flächen wurden abgenommen. Das Ganze endet darin, dass der Freund meiner Kundin Angebote von anderen Firmen einholt mir darlegt, dass ich unverschämt teuer bin. Sein Vorschlag: Ich reduziere mein Angebot um 20 % oder er tritt vom Vertrag zurück. Diese Möglichkeit hat er, da das Angebot freibleibend ist. Auch die Innenarbeiten will er mir entziehen, wenn ich mein Angebot nicht um diesen Betrag reduziere.
Ich gebe auf – und lasse dem Schicksal seinen Lauf
Das kann ich nicht, und so wird mir der mündlich zugesagte Auftrag wieder entzogen. Und bin einerseits schon sehr betroffen. Rund 20 Stunden habe ich in Aufklärung und Angebotserarbeitung gesteckt. Auch meine Mitarbeiter waren gute 10 Stunden im Einsatz, um Rohre und Betonflächen zu reinigen, die später nicht mehr zu sehen sind. Andererseits bin ich froh, da ich schon befürchtete, dass bei der Ausführung wieder alle möglichen Probleme auftauchen. Zurückblickend war es sogar ganz gut, da ich diesen Herbst viele andere Arbeiten hatte und alles gar nicht untergebracht hätte.
Die beschriebene Baustelle liegt auf dem Weg zu meiner Werkstatt. Täglich fahre ich daran vorbei und kann den Fortschritt beobachten. Die Fenster wurden erst im Oktober geliefert und so konnte mein Kollege erst Mitte Oktober mit seinen Arbeiten beginnen. Voller Verwunderung stelle ich fest, dass nun doch eine Styropordämmung aufgebracht wird, und dies, nicht den Vorschriften entsprechend.
Die Sockeldämmung wird einfach an die Kellerwand gestellt, davor eine Noppenfolie, die mit Kies und Riesl aufgefüllt ist. Bei meinem Angebot wären die Dämmplatten abgeschrägt worden, diese mit Spezialkleber befestigt die Armierungsschicht wäre aus wasserdichtem Putz ausgeführt worden. Alles so, dass kein Wasser und keine Feuchtigkeit in die Dämmplatte eindringen kann. Nichts davon wurde umgesetzt.
Auch die Wanddämmung wurde ohne Grundputz und einfach wie es kam, nicht im Verbund verklebt. Fensterbretter nicht nach Vorschrift vor der Dämmung eingebaut. Das Dübelmuster entspricht nicht den Vorgaben des Herstellers und es wurden meines Erachtens nach auch zu wenige Dübel verbaut. Die Brandschutzriegel, die seit 2016 Gesetzlich vorgeschrieben sind, wurden komplett weggelassen.
Jeden Tag sehe ich neue Unstimmigkeiten – ich habe kein Mitleid.
Als mich die Kundin neulich wegen einer Kleinigkeit kontaktiert, kann ich es nicht lassen. Ich weise sie auf diese Missstände hin. Und Sie? Berichtet, dass sie seit Tagen mit der ausführenden Firma verhandelt, da diese die Arbeiten nicht so wie gedacht ausführt. Leider muss sie aber feststellen, dass Sie das Angebot nicht genau überprüft hat und der ausführende Betrieb ihr nur das, was er momentan ausführt, angeboten hat.
All mein Reden über Qualität und Vorschriften bei meiner Angebotserstellung waren umsonst gewesen. Sie hat sich von dem vermeintlich günstigeren Preis blenden lassen und diese Einfachst- und Billigdämmung so bestellt. Die qualitativ bessere Ausführung muss sie nun teuer nachbeauftragen. Soweit überhaupt möglich. Auch einige Details wie Fensterumrandung waren nur als Bedarfspositionen tituliert und somit nicht in der Endsumme enthalten.
Audi bestellt – und Billigwagen aus China erhalten
Ich erklärte Ihr nochmals – Sie haben bei mir, um es zu verdeutlichen, einen „Audi“ bestellt. Bei dem Kollegen, der ihr nur einen chinesischen Billigwagen angeboten hat, hat sie aber zugeschlagen. Und wie es scheint, hat dieser noch nicht mal TÜV. Sie muss nun selbst sehen, wie sie an die Zuschüsse vom Staat kommt, da gesetzliche Vorschriften unter Umständen nicht eingehalten wurden. Wenn der Putz darüber ist sieht man die meisten Fehler zum Glück vorerst nicht mehr. Ob die Dämmung so lange hält, wie meine Ausführung, werden wir erst in einigen Jahren sehen. Ich befürchte Schlimmes!
Der Firma kann man keinen Vorwurf machen – anscheinend wird alles so wie im Angebot beschrieben ausgeführt. Die Kundin fühlt sich betrogen – ich habe kein Mitleid.
Ihr Jürgen Beil