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Schön wärs: Wie immer mehr Vorschriften die Freude am Handwerk trüben
Wir machen ja schon sehr viel in unserem Betrieb, was die Arbeitssicherheit anbelangt aber: Es wird immer Schlimmer! Dieses Jahr hatten wir eine Großbaustelle (Innenarbeiten in einer großen Halle), und ich freute mich, endlich mal wieder etwas mehr Zeit für mich zu haben, da ich die Arbeiten an mein gut aufgestelltes Team delegieren konnte. Ich dachte: Alles läuft von selbst. Schön wäre es gewesen, wenn uns nicht der SiGePlan in die Quere gekommen wäre: Der Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Plan. Für diesen waren auf dieser Großbaustelle 3 Mitarbeiter abgestellt, die den ganzen Tag nur kontrolliert haben, ob alle Arbeiten absolut sicher durchgeführt werden.
Los ging es am ersten Tag …
… mit frischem Elan und der vorgeschriebenen Sicherheitsausrüstung: Bauhelm, Sicherheitsjacke und Sicherheitsschuhe musste jeder zu jederzeit tragen. So weit so gut.
Der Spaß hörte auf, als die SigePlan- Mitarbeiter unsere erst vor 4 Wochen im Fachhandel gekauften Kabeltrommeln beanstandeten. Diese hatten eine Trommel aus Metall, konnte elektrischen Strom leiten und wäre daher aus Sicherheitsgründen auf dieser Baustelle nicht zulässig. Allen Prüfsiegeln zum Trotz mussten wir unsere Arbeit einstellen und neue Kunststoffkabeltrommeln kaufen.
Am nächsten Tag …
… ging es dann auch schon fröhlich weiter. Die Herren beanstandeten, dass meine Mitarbeiter auf einer Scherenbühne arbeiteten ohne einen Sicherheitsgurt angelegt zu haben. Wohlgemerkt auf einer Bühne in 2 Meter Höhe und einem Geländer ringsherum. So besorgte ich unsere Sicherheitsgurte von der Werkstatt und brachte sie zur Baustelle.
Am Tag darauf wurden wir in unserer Arbeit wieder jäh unterbrochen, da eben diese Gurte älter als 4 Jahre waren. Danach muss man diese gemäß Vorschrift wegwerfen, so der Prüfer, „egal ob sie beschädigt sind oder nicht“. Also: neues Geschirr gekauft und weitergearbeitet.
Dabei war es völlig egal, dass bei einem tatsächlichen Sturz über das Geländer der Mitarbeiter auf alle Fälle mit den Füßen oder dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen hätte, da der Gurt 1,50 Meter lang und an der Hebebühne befestigt war. Bei weniger Bewegungsfreiheit hätte man nicht mehr arbeiten können. Doch die Vorschrift sagt: Hauptsache Gurt – ob`s was hilft oder nicht.
Das Chaos setzte sich in den nächsten Tagen fort …
… nachdem wir ein fahrbares Gerüst aufgestellt hatten. Ein Mitarbeiter stand oben und hielt sich fest. Sein Kollege schob ihn in der mehrere tausend Quadratmeter großen Halle von Sprinklerkopf zu Sprinklerkopf (Löschwasseranlage), um diese abzudecken. Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als mir erklärt wurde das dies – obwohl das Plattformgerüst 3,00 x 3,00 groß ist – zu gefährlich ist, da das Gerüst theoretisch umstürzen könnte.
Also haben wir nach Vorschrift weitergearbeitet: Nach jedem Sprinkler hieß es für unseren Mitarbeiter: Sicherheitsgeschirr aushaken, runter vom Gerüst, beim nächsten Sprinkler wieder hochsteigen, einhaken, Sprinklerkopf abkleben und dann das Ganze wieder von vorne.
Nicht genug, als wieder einige Tage später …
… das Geländer des Gerüstes beanstandet wurde. Dieses hatte nämlich, genauso wie bei der Scherenbühne, eine Höhe von 90 cm. Leider gibt es aber unterschiedliche Vorschriften, wie mir die Mitarbeiter von SiGePlan erklärten: Bei einem fahrbaren Gerüst muss das Geländer 1,00 m hoch sein, bei einer Scherenbühne reichen 90 cm.
Wenn wir den Boden des Gerüstes weiter nach unten korrigierten, konnten wir die Sprinklerköpfe nicht mehr erreichen. Wenn wir das Geländer höher setzten, kamen wir nicht mehr unter den überall im Gebäude verlaufenden Rohren durch. Dadurch mussten wir zirka alle halbe Stunde das Gerüst ab- und wieder aufbauen, damit wir weiterarbeiten durften. Das Unfallrisiko meiner Mitarbeiter wurde durch das Auf- und Abbauen sicher massiv erhöht – aber das interessiert nicht: Hauptsache die Vorschriften sind eingehalten.
Der Wahn geht weiter – sicher ist sicher!
Für die nächsten Baustellen wurden schon wieder neue Vorschriften erlassen: Fachfirmen dürfen Leitern mit Sprossen die schmäler als 8 cm sind nicht mehr benutzen. Für meinen Betrieb bedeutet das: Ich muss alle meine Leitern wegwerfen und neue kaufen. Das Problem: Die Leitern mit den breiten Sprossen sind zum Teil noch nicht mal auf dem Markt erhältlich. Alternativ kann man als Zubehör Sprossenverbreiterungen kaufen die auf die vorhandenen Sprossen aufgesteckt werden – ob das hält?
Gerüste müssen vom Ersteller abgenommen werden …
… und nach der kleinsten Veränderung muss das Gerüst neu abgenommen werden. Wenn ich zum Beispiel für den Materialtransport eine Geländerstange entfernen muss, darf ich diese nicht mehr einfach so einsetzen: Der Gerüstbauer muss kommen und das Gerüst neu abnehmen.
Ich als Betriebsinhaber (oder ein eingewiesener Vorarbeiter) muss täglich das Gerüst meiner Mitarbeiter prüfen und bei der kleinsten Beanstandung das Arbeiten auf dem gesamten Gerüst untersagen.
Ab einer Höhe von 5 Metern ist in Zukunft ein Treppenhausturm vorgeschrieben. Das Gerüst darf nicht mehr über Leiterngänge betreten werden: Jedes zweite Einfamilienhaus ist höher als 5 Meter. Die Kosten muss der Kunde tragen.
Gleiche Pflicht für alle!
Sicher gibt es viele Firmen, die diese Vorschriften nicht einhalten werden und damit billiger anbieten können. Das ist Wettbewerbsverzerrung. Meine Meinung ist: Wenn, dann muss das alles rigoros überprüft werden, damit jeder unter den gleichen Bedingungen arbeitet und anbietet. Aus Personalmangel wird das aber nur stichprobenartig überprüft werden können. Der Privatkunde kennt diese Vorschriften nicht und wird auf die „Blender“ hereinfallen. Die ehrlichen Betriebe haben das Nachsehen – ganz sicher!
Ihr Jürgen Beil