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Das große Beil x 1 der Farben: Teil VII alternative Fassadenfarben
Neben Silikat-, Dispersions- und Silikonharz-Fassadenfarben gibt es eine Vielzahl von Alternativen für Fassadenanstriche, die ich hier nicht unerwähnt lassen möchte. Besonders hervorzuheben sind: Kalkfarben und Lehmfarben. In meinen Augen sind beide Farbtypen am besten geeignet für echte Individualisten, die sich genau mit den Materialien auseinandergesetzt haben, die Vor- und Nachteile kennen und die Oberflächen dementsprechend behandeln. Warum? Das erfahren Sie hier:
Kalkfarben – ganz schön aufwändig
Insbesondere in unseren Breitengraden sehe ich Kalkfarben als eher problematisch an. Der Grund: Durch den Sauren Regen wird Kalk zu Gips umgewandelt und ausgewaschen, da Gips wasserlöslich ist. Beregneten Fassaden bietet ein Kalkanstrich also unzureichend Schutz.
Lediglich für Fassaden mit ausreichendem Vordach ist der Kalkanstrich eine Alternative. Jedoch ist zu bedenken, dass ein guter Anstrich mit Kalk mindestens in 5 bis 6 Arbeitsgängen aufzubringen ist. Damit der Kalk eine gewisse Festigkeit erreicht, sollte er nur in extrem dünnen Schichten aufgetragen werden und dabei möglichst langsam trocknen. Nur so kann erreicht werden, dass der Anstrich nicht nach kurzer Zeit "kreidet". Zur Verarbeitung empfehle ich "Brockensumpfkalk", der mindestens 3 bis 5 Jahre eingesumpft war. Sackkalk ist von zu minderer Qualität. Aber Obacht: Kalkanstriche sind auch nur wieder mit Kalk zu überarbeiten. Alternativ kommt dann nur noch Silikatfarbe in Betracht.
Wichtig: Vor dem Anstrich müssen alle kreidenden und abblätternden Schichten entfernt werden. Die Untergrundverfestigung kann mit stark verdünnter Kalkmilch hergestellt werden. Meine Erfahrung: Soviel Aufwand rechnet sich nur bei Privathäusern, bei denen der Eigentümer genauestens informiert ist und darauf achtet, dass die Flächen nicht mit anderen Materialien überstrichen werden.
Aufgepasst: Wenn Kalk mit Dispersionsfarbe überstrichen wird, dauert es nicht lange, und der Anstrich blättert ab. Der Kalk kann durch den dichten Anstrich kein CO² aufnehmen und somit nicht auskarbonatisieren. Das bedeutet, er kann in diesem Fall kein CO² aus der Luft aufnehmen, um seine feste Struktur zu erhalten.
Farbtöne sind nur im Pastellbereich zu erzielen. Meist trocknet die Oberfläche "scheckig" auf. Allerdings: Die Farbtöne haben eine tolle Tiefentransparenz! Aber der Aufwand für eine schöne Oberfläche ist weit höher als bei herkömmlichen Anstrichen.
Lehmfarben – punkten durch hohe Feuchtigkeitsaufnahme
Für Lehmanstriche gibt es keine DIN oder Haltbarkeitsregeln. Der größte Vorteil von Lehmputzen und Lehmfarben ist die enorme Feuchtigkeitsaufnahme. Lehmputze können sich regelrecht mit Feuchtigkeit aufsaugen und diese bei gegebener Zeit wieder abgeben. Allerdings lassen die Festigkeit und Abriebfestigkeit zumeist zu wünschen übrig.
Hervorzuheben ist der lasierende Charakter der Oberfläche, d.h., der Untergrund scheint auch nach mehreren Anstrichen durch. Die dadurch entstehenden leichten Schattierungen, sind nur von einem Fachmann in ein gleichmäßiges Anstrichbild zu bekommen. In südländischen Altstädten sieht man oft Fassaden in wunderbaren rot oder Ockertönen die mit diesen Anstrichmitteln gestrichen wurden. Bei genauerem Hinsehen kann man aber sehr schnell erkennen, dass diese Anstriche große Mängel aufweisen. Sie sind fleckig oder abgewittert. Kunden mit einem höheren Qualitätsanspruch würden sich mit solch einem Anstrichbild nicht zufrieden geben.
Vorteil: Diese Farben sind natürlichen Ursprungs und sind meist frei von jeglichen Allergenen. Empfindliche Menschen wissen diesen Vorteil zu Schätzen.
Ein schönes Beispiel für eine Fassade mit Lehmanstrich findet sich am Hotel „Schiff“ in Hittisau. Hier ist ein Teil der Wände mit Lehmfarben beschichtet. Auch steht im Gastzimmer ein großer Raumteiler aus natürlichem Stroh und Lehmputz. Dieser trägt erheblich zum Wohlfühlklima in diesem Raum bei. Dies vor allem auch durch seine sehr stark feuchtigkeitsausgleichende Wirkung und warme Farbtöne. Als wir vor einigen Jahren mal dort waren, fand zeitgleich im Rathaus eine kleine Sonderausstellung über Wände aus Holz, Stroh und Lehmputz statt. Für mich war das sehr interessant.
Ihr Jürgen Beil